Timor Domini – Fehlt heute der Respekt vor Gott?

Juli 21, 2025

„Anfang der Weisheit ist die Furcht des HERRN“ (Spr 9,10). Was in der Schrift als geistliche Grundhaltung beschrieben wird, scheint in der kirchlichen Praxis leider oft übertönt vom pastoralen Wohlklang. Wer heute von Gottesfurcht spricht, riskiert Missverständnis oder Ablehnung. Angst gilt als Gegenteil von Vertrauen, Furcht als Relikt eines strafenden Gottesbildes, das nicht mehr zu passen scheint. Doch ohne die Gottesfurcht fehlt dem Menschen das geistliche Fundament, das ihn in die wahre Erkenntnis Gottes und die gerechte Selbstordnung führt.

Gottesfurcht ist unverzichtbare Grundordnung des Glaubens

Die Gottesfurcht ist nicht eine bloße emotionale Reaktion von „schwachen“ Menschen, wie es Nietzsche unterstellt hat. Nein, sie ist ein gebotener Akt der Vernunft und des Willens, der den Menschen in die rechte Erkenntnis der göttlichen Majestät und Heiligkeit setzt. „Den HERRN, deinen Gott, sollst du fürchten“ (Dtn 6,13) fordert die totale Unterordnung des Menschen unter Gottes Gesetz, das für das Heil unumgänglich ist. Die Furcht vor Gott gründet in seiner unendlichen Transzendenz und Gerechtigkeit, die jede Sünde unerbittlich richtet – ohne Ausnahme. Der Hebräerbrief bezeichnet Gott deshalb als ein „verzehrendes Feuer“ (Hebr 12,29), welches die göttliche Heiligkeit verkörpert und den Menschen ehrfürchtig macht.

Die Missachtung der Gottesfurcht führt zur Ursünde der Überhebung, die den Menschen in Selbstvergötterung stürzt. Ohne diese Grundhaltung der Furcht wird der Glaube zur sogenannten „religio licentiae“, zu einer Verfälschung des Glaubens, die sich in Säkularismus, Relativismus und moralischem Zerfall sichtbar manifestiert. Die kirchliche Lehre verankert die Gottesfurcht als Gabe des Heiligen Geistes, die den Gläubigen vor geistlicher Trägheit und Verzagtheit bewahrt und ihn zu vollkommener Gehorsamkeit gegenüber Gottes Willen führt. Mehr noch: Die gesamte religiöse Ordnung gründet in der Furcht Gottes. Sie ist nicht lähmend und auch kein Ausdruck von Entfremdung, sondern die Voraussetzung wahrer Freiheit, weil sie den Menschen unter die Wirklichkeit Gottes stellt und ihn in der Wahrheit verankert.

Furcht vor Menschen – eine verkehrte Priorität

Der junge Prophet Jeremia wird von Gott ermahnt: „Fürchte dich nicht vor ihnen (den Menschen); denn ich bin mit dir, um dich zu retten“ (Jer 1,8). Die göttliche Weisung offenbart eine existenzielle Verfehlung des Menschen, der sich mehr vor Menschen und gesellschaftlichen Mächten fürchtet als vor dem gerechten Urteil Gottes. Die Verlagerung der Furcht auf vergängliche Mächte bedeutet die Verkennung der wahren Autorität und eine fatalistische Flucht vor der göttlichen Heiligkeit.

Die Konsequenz ist eine paradoxe Selbstunterwerfung unter die Welt und ihre Unsicherheiten, die den Glauben und die Seele gefährdet. Selbst Jesus mahnt uns hier: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ (Mt 10,28).

Die wahre Freiheit entspringt nur aus der ehrfürchtigen Furcht Gottes, die nie lähmt und den Blick auf das Ewige richtet. Wer sich dieser Gottesfurcht entzieht, wird zum Spielball irdischer Ängste und verliert den Maßstab für wahres Leben und Heil.

Gottesfurcht als Weg zur Freiheit und Heiligung

„Fürchtet den HERRN, ihr seine Heiligen; denn die ihn fürchten, leiden keinen Mangel“ (Ps 34,10). Die Furcht Gottes bewahrt vor geistlicher Selbsttäuschung und öffnet das Herz für die Gnade der Heiligung. Sie ist die Grundbedingung geistlicher Freiheit und wahrer Liebe zu Gott, die sich selbst nicht zum Maß aller Dinge macht.

Wer Gott nicht mehr fürchtet, verliert den Respekt vor seiner Heiligkeit – und damit den Maßstab für Wahrheit und Schuld. Die Gottesbeziehung verkommt dann leicht zur bloßen Projektion eigener Wünsche und jede Gottesbeziehung ist dann oberflächlich, gefährdet und letztlich leer.

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