Autor: Lukasz Holfeld
Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die Versuchung, gut zu sein – Moral als Ersatz für Gnade

Es wirkt harmlos, wenn Christen sagen: „Ich bin doch ein guter Mensch und tue niemandem etwas Böses. Reicht das nicht?“ Viele denken so. Doch damit beginnt die größte Verirrung des christlichen Glaubens. „Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren“ (Röm 3,23), ist Paulus’ Antwort darauf. Wer sich damit zufriedengibt, ein „guter Mensch“ zu sein, und glaubt, das Evangelium lasse sich durch gute Werke ersetzen, übersieht, dass die Rettung nicht in uns selbst liegt. Moral kann das Gewissen beruhigen, aber sie schenkt kein neues Leben. Christus ist nicht gestorben, damit wir ein wenig anständiger leben, sondern damit wir in ihm neu geboren werden.
Wenn gutes Benehmen den Glauben verdrängt
Wir kennen es aus dem Alltag: Jemand engagiert sich in der Gemeinde, hilft Nachbarn beim Einkaufen, ist freundlich und korrekt. Alles wirkt stimmig, doch innerlich bleibt oft eine Leere. Der heilige Augustinus hat das selbst erlebt: Er wollte moralisch sein, erfolgreich, anerkannt – und musste doch erkennen, dass er gar nicht frei war. Paulus beschreibt diesen Zustand folgendermaßen: „Denn indem sie die Gerechtigkeit Gottes verkannten und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten suchten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen“ (Röm 10,3). Mit anderen Worten: Wer nur auf sich baut, übersieht die Gnade, die alles trägt. Gutes Tun kann leicht zu einer Art Schutzschild werden, hinter dem man die Frage nach Gott gerne vermeidet.
Jesus selbst zeigt, wie gefährlich diese Haltung ist: „Ich bin nicht gekommen, um Gerechte, sondern Sünder zur Umkehr zu rufen“ (Lk 5,32). Wer meint, schon gerecht zu sein, kann den Ruf nicht mehr hören. Das kann im Alltag ganz unscheinbar geschehen. Man denkt: „Ich gehe in die Messe, ich spende, ich verletze niemanden – also passt alles.“ Aber das Herz bleibt verschlossen für Christus. Die Selbstsicherheit wirkt fromm, ist aber oft ein Ersatz für echte Umkehr. Augustinus hat erst Frieden gefunden, als er die Fassade fallen ließ und bekannte, dass er aus eigener Kraft nicht bestehen kann. Die Gnade Gottes, das Geschenk eines neuen Anfangs, hat ihn verwandelt – und nicht seine Tugenden. Das Gute, das man tut, ist wertvoll – doch es ersetzt nicht die Begegnung mit dem lebendigen Herrn.

Wie Gnade das Leben verwandelt
Gnade bedeutet nicht, dass unsere Taten bedeutungslos wären. Sie gibt ihnen Tiefe und Wahrheit. Es ist wieder Paulus, der es auf den Punkt bringt: „Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ (1 Kor 15,10). Wer das begreift, sieht auch das eigene Leben neu. Der Dienst am Nächsten wird nicht mehr zum Beweis der eigenen Rechtschaffenheit, sondern zum Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber Gott. Eine Mutter, die ihre Kinder erzieht, ein Mann, der im Beruf treu bleibt, eine Jugendliche, die einem Freund beisteht – sie alle leben Gutes nicht aus eigener Größe. Man tut das Gute, weil Christus einen trägt.
„Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17). So wurde es auch Augustinus bewusst: Seine Tugenden allein machten ihn nicht gerecht. Er verstand: Gott hatte ihn schon längst gesucht, auch als er noch weglief. Das bedeutet, dass Gnade nicht einfach eine Zugabe zur Moral ist. Sie ist ein völliger Neuanfang. Wer Christus begegnet, bleibt nicht beim „brav sein“, sondern erfährt, wie Gott das Herz erneuert. Das zeigt sich gerade im Kleinen und nicht nur im Großen: im ehrlichen Gebet am Abend, im mutigen Schritt zur Beichte, in der Geduld, die nicht aus uns selbst kommt. Manchmal zeigt sich dieser Unterschied auch in Krisenzeiten: Ein Nachbar, der plötzlich seine Arbeit verliert, erfährt Hilfe nicht nur in Form von Sachspenden, sondern durch jemanden, der mit ihm betet und ihm zeigt, dass er nicht allein ist. Solche Gesten werden nicht aus Pflicht geboren. Sie gehen aus der Gnade Gottes hervor, die Herzen verwandelt.
Bleibe in Christus!
Die Versuchung, einfach „gut“ zu sein, wird bleiben. „Denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5), sagt Jesus hierzu. Wer allein auf sich schaut, bleibt stehen. Wer in Christus bleibt, lernt, dass Tugend nicht eine Maske ist, hinter der man sein leeres Herz verstecken kann. Tugend ist Frucht der Gnade. Nur wer das versteht und lebt, macht Moral nicht zum Ersatz für das Evangelium, sondern zum Ausdruck eines Herzens, das sich von Gott beschenken lässt.
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