
Das Weihnachtsfest liegt hinter uns. Die großen liturgischen Feiern sind verklungen. Für manche geht der Alltag mit Arbeit und Pflichten weiter, während andere sich bereits auf das Feiern des neuen Jahres vorbereiten. Vergessen wir jedoch eins nicht: Das Geheimnis der Menschwerdung lässt sich nicht im Augenblick des Feierns erschöpfen. Denn eine zentrale Frage, die Weihnachten an uns stellt, lautet: Sind wir bereit, uns der Tragweite der Geburt Christi bewusst zu stellen und sein Licht auf unser Leben, auf unsere Mitmenschen und auf die Welt wirken zu lassen?
An genau diesem Punkt setzt die erste Weihnachtsansprache von Papst Leo XIV. am Ersten Weihnachtstag 2025 an. Der Papst bleibt nicht bei bloßer festlicher Stimmung stehen, sondern zeigt theologisch präzise, wie Weihnachten zu verstehen ist und welche Maßstäbe es für unser Handeln setzt – selbst wenn die festliche Atmosphäre längst vergangen ist. Es lohnt sich also, seine Ansprache noch einmal zu lesen oder zu hören und die Impulse für das eigene Leben ernst zu nehmen.

Weihnachten als Offenbarung des göttlichen Handelns
Papst Leo XIV. beginnt seine Ansprache bei der Liturgie selbst und hebt die zentrale christologische Wahrheit in den Vordergrund: „Freut euch im Herrn, heute ist uns der Heiland geboren. Heute ist der wahre Friede vom Himmel herabgestiegen“ (Eröffnungsvers der Messe in der Heiligen Nacht). Weihnachten zeigt das konkrete Handeln Gottes in der Welt. Es ist die Selbstoffenbarung des Schöpfers, der in Jesus Christus Mensch wird, um unser Leben, unsere Schwächen und unsere Not aufzunehmen.
Die Geburt Christi ist nicht umsonst von Armut und Ablehnung begleitet. „Der Sohn Gottes, durch den alles geschaffen wurde, findet keine Aufnahme, und seine Wiege ist eine armselige Futterkrippe für Tiere“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Leo XIV.). Schon in der Krippe zeigt sich, dass Gott die Verantwortung für die Menschheit auf sich nimmt: Er trägt die Last der Sünde selbst, identifiziert sich mit den Ausgestoßenen und Schwachen und zeigt uns, was wahre Liebe bedeutet. Leo XIV. formuliert dies so: „Das ewige Wort des Vaters, das die Himmel nicht fassen können, wollte auf diese Weise in die Welt kommen. Aus Liebe wollte es von einer Frau geboren werden, um unser Menschsein zu teilen; aus Liebe hat es Armut und Ablehnung auf sich genommen und sich mit den Ausgestoßenen und Ausgeschlossenen identifiziert“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Leo XIV.).
Die Menschwerdung Gottes ruft zugleich uns auf, Verantwortung zu übernehmen. Weihnachten ist deshalb nicht nur das Staunen über ein Wunder, sondern vor allem die Einladung, aktiv an der Heilsgeschichte mitzuwirken. Das betont auch der Papst, indem er den Heiligen Augustinus zitiert: „Gott, der uns ohne unser Zutun erschaffen hat, kann uns nicht ohne unser Zutun retten“ (vgl. Hl. Augustinus, Sermo 169,11,13). Wer nicht liebt, nicht Vergebung bereitstellt oder die Schwachen nicht beachtet, verschließt sich in Wahrheit der Gnade Gottes. Weihnachten soll dauerhaft daran erinnern, dass Friede, Versöhnung und Heil nur dort entstehen, wo die Menschen bereit sind, auf Gottes Liebe zu antworten. Die Antwort kann nur Verantwortung sein, die die Liebe Gottes weiterträgt und in der Welt wirksam macht.

Frieden und Verantwortung in der Welt
„Jesus Christus ist unser Friede, vor allem weil er uns von der Sünde befreit, und dann weil er uns den Weg weist, wie wir die Konflikte überwinden können, alle Konflikte, von den zwischenmenschlichen bis zu den internationalen“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Leo XIV.). Desahlb: „Bitten wir das Kind von Betlehem um Frieden und Trost für die Opfer aller gegenwärtigen Kriege in der Welt, insbesondere der in Vergessenheit geratenen“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Leo XIV.). Und Frieden wird dringend gebraucht. Naher Osten, Ukraine, Demokratische Republik Kongo, Lateinamerika, um nur ein paar Regionen zu nennen. In jedem Fall verbindet Papst Leo XIV. die Gebetsbitte für Frieden mit unserer Verantwortung, sich aktiv für Gerechtigkeit, Versöhnung und Dialog einzusetzen: „Dies ist der Weg des Friedens: die Verantwortung“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Leo XIV.). Er macht damit deutlich: Friede entsteht aus einem Herzen, das versöhnt ist und die Gnade Christi annimmt. Frieden ist kein Automatismus oder keine Berechnung.
Dabei verweist er auf den biblischen Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden: „Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer“ (Jes 32,17). Die Geburt Christi zu erkennen, geht mit der Pflicht einher, den Frieden nicht nur zu wünschen. Er muss konkret gefördert und gelebt werden.
Der Papst erweitert unsere Verantwortung, den weihnachtlichen Frieden auf alle Lebensbereiche zu tragen: Politische Entscheidungsträger sollen inspiriert werden, Dialog und Versöhnung zu suchen; Christen sind aufgerufen, Solidarität mit den Armen, Ausgegrenzten und Leidenden zu üben. Denn Weihnachten ist kein Fest der eigenen Freude allein, sondern ein Moment, der die universelle Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und menschliche Würde in den Mittelpunkt rückt. Einfach gesagt: Weihnachten ist ein Auftrag Gottes an uns, Frieden in der Welt zu verwirklichen.

Christus, unsere Hoffnung
„Die Heiligen Pforten werden geschlossen, aber Christus, unsere Hoffnung, bleibt immer bei uns!“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Leo XIV.).
Weihnachten ist ein stiller, radikaler und, ganz wichtig, dauerhafter Aufruf: Die Menschwerdung Gottes konfrontiert uns mit der Frage, ob wir bereit sind, uns von der Liebe Gottes verändern zu lassen. Wer dabei die Not der Welt sieht – die Hungernden, die Geflüchteten, die Ausgegrenzten, die Opfer von Gewalt und Ungerechtigkeit – aber wegschaut, verweigert sich dem, was Weihnachten eigentlich bedeutet. Leo XIV. fordert uns zu einem mutigen christlichen Blick auf die Realität: Frieden ist Aufgabe, Verantwortung und Praxis zugleich.
Wir sollten unsere Gleichgültigkeit prüfen. Es ist ein Aufruf, aktiv zu werden, das göttliche Handeln in unserem Leben und in der Welt fortzuführen, Liebe und Gerechtigkeit zu leben, wo Ablehnung, Hass und Ungerechtigkeit herrschen.
So bleibt die frohe Botschaft bestehen: Das Kind in Betlehem ist der menschgewordene Gott, das Licht, das nicht vergeht, und der Friede, der fordert, dass wir Mitwirkende werden. Weihnachten ist, wie Papst Leo XIV. mit seinem Namensgeber richtig sagt, „der Geburtstag des Friedens“ (Hl. Leo der Große, Sermo 26). Die Einladung des Geburtstagskindes an uns ist es, diesen Frieden mutig, verantwortungsvoll und radikal zu leben.


