Der betende Leib – Wo der Geist das Menschliche verwandelt

Beten ist nicht nur Sache des Verstandes. Wenn wir beten, stehen wir mit unserem ganzen Menschsein vor Gott – mit unserem Atem, Herzschlag, Müdigkeit, mit allem, was uns trägt oder niederdrückt. Wenn der Mensch also betet, antwortet nicht nur sein Geist auf Gott. Auch sein Leib wird in die Begegnung hineingenommen. Das Evangelium zeigt uns, dass Gott den ganzen Menschen anrührt. Jesus legt den Kranken die Hände auf (vgl. Mk 5,23; Mt 9,18), er heilt (vgl. Mk 1,40-45) und er berührt (vgl. Mk 1,41). Das Gebet ist, entgegen dem Verständnis vieler, nicht Flucht aus der Wirklichkeit. Im Gegenteil: Beten geschieht mitten in ihr. Es kommt aus der Tiefe des Fleisches, aus der Wirklichkeit des Lebens, wo Freude, Angst und Schmerz wohnen.

Das Fleisch als Ort der Erlösung

Die Heilige Schrift, oder besser der heilige Paulus, nennt den Menschen oft „Fleisch“ (Röm 8,12–17), um seine Verletzlichkeit und Endlichkeit zu beschreiben. Das Fleisch ist nicht das Böse im Menschen, wie oft missverstanden. Es ist das, was lebt, altert, hungert, aber auch hofft. In Jesus Christus hat Gott genau dieses Fleisch angenommen: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Damit hat Gott sich in das Menschliche eingeschrieben. Er hat den Ort betreten, an dem wir schwach sind, und ihn zur Stätte Seiner Gegenwart gemacht.

Wenn der Mensch im Gebet seine Schwäche nicht verbirgt, geschieht genau das: Das Fleisch betet. Die Müdigkeit, die Angst, das Leiden werden Sprache vor Gott. So betete Christus im Garten Getsemani. Sein Schweiß fiel zur Erde, sein Leib zitterte, und doch sagte er: „Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Das war kein Gebet aus gedanklicher Distanz. Nein, unser Herr selbst hat aus der ganzen Wirklichkeit Seines menschlichen Daseins zum Vater gebetet. Nur so nahm Erlösung der Welt Gestalt an.

Der Heilige Geist verwandelt das Fleisch

Paulus beschreibt das Wirken des Heiligen Geistes auf diese Weise: „Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11). Unser Gebet ist ein Zeichen dieser Lebendig-machung. Wo der Mensch im Glauben spricht, atmet der Heilige Geist in ihm. Und das geschieht nicht außerhalb seiner Leiblichkeit, sondern durch sie. Das Herz schlägt, die Stimme formt Worte und der Atem trägt sie – und Gott nimmt das Gebet an.

Das Fleisch wird dadurch geheiligt. Es bleibt zwar vergänglich, aber es wird zum Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott. In jedem echten Gebet berührt sich das Irdische mit dem Ewigen. Die Gegenwart des Heiligen Geistes verwandelt unsere natürliche Lebenskraft in eine Bewegung hin zu Gott. So wachsen wir in das hinein, was Christus schon vollendet hat: die Einheit von göttlicher und menschlicher Wirklichkeit.

Das Gebet des ganzen Menschen

Beginnt das Fleisch zu beten, geschieht Erlösung im wahren Sinn. Der Mensch tritt nicht aus seiner Welt heraus, er bringt sie mit vor Gott. Alles, was ihn ausmacht – Leib, Seele, Gedanken, Geschichte – wird Teil des Gebets. So wird das Wort des Psalms wahr: „Auch mein Fleisch wird wohnen in Sicherheit“ (Ps 16,9).

Das Christentum kennt kein Gebet, das körperlos wäre. Die gefalteten Hände, die Knie, die Stimme und das Schweigen – das alles gehört dazu. Gott will den Menschen ganz ansprechen und nicht nur geistig. Das Fleisch wird so zum Ort des Glaubens, und nur so wird der Glaube leibhaftig und dadurch wahr. Darin liegt das Geheimnis christlicher Hoffnung: dass Gott das Leben in seiner ganzen Wirklichkeit annimmt und in sich vollendet.

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