All Hallows’ Eve – Der Abend der Vorbereitung

Der 31. Oktober steht im Kirchenjahr an der Schwelle zu einem der großen Feste: Allerheiligen. Ursprünglich wurde der heutige Abend als liturgischer Vorabend, als All Hallows’ Eve, begangen – ein stiller Übergang in die Feier der Heiligkeit Gottes. In der alten Ordnung beginnt jedes Hochfest mit einer Vigil – einer Nacht des Gebets, der Sammlung und der inneren Vorbereitung. Der Vorabend vor Allerheiligen dient der Vorbereitung, dem inneren Hinwachsen in das Geheimnis, das gefeiert werden soll.

In der Feier der Heiligen bekennt die Kirche, dass Gottes Gnade im Leben von Menschen wirksam wird. Heiligkeit ist keine abstrakte Idee, sondern der konkrete Weg jedes Getauften. Der Vorabend öffnet den Blick auf diese Wirklichkeit. Er führt vom Irdischen zum Himmlischen, von der Gegenwart zur Vollendung.

Die Vigil als Ausdruck der himmlischen Kirche

Die Vigil von Allerheiligen gehört zu den ältesten Gebetsformen der Kirche. Sie wird in der Nacht begangen, in der das Dunkel durch das Licht der Kerzen unterbrochen wird. Psalmen, Lesungen und Stille bilden einen geistigen Rhythmus, der den Menschen auf die himmlische Liturgie vorbereitet.

Im Mittelpunkt steht das Wort der Offenbarung: „Danach sah ich, und siehe, eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder und trugen Palmzweige in den Händen“ (Offb 7,9). Diese Vision beschreibt, was die Kirche feiert: die vollendete Gemeinschaft der Glaubenden in der Gegenwart Gottes.

In dieser Nacht blicken wir über die Grenzen der Erde hinaus. Wir beten mit jenen, die schon vollendet sind, und erwarten zugleich die eigene Vollendung. Die Heiligen sind keine fernen Gestalten der Vergangenheit. Sie sind gegenwärtige Glieder des Leibes Christi. Die Kirche lebt in der Verbindung der Lebenden und der Vollendeten – in jener communio sanctorum, die das Glaubensbekenntnis selbst nennt.

So erhält der 31. Oktober seine klare theologische Bedeutung: Er ist die Hinführung zur himmlischen Liturgie, die in der Eucharistie von Allerheiligen ihren sichtbaren Ausdruck findet. Er erinnert daran, dass Heiligkeit Frucht der Gnade ist und keine eigene menschliche Leistung.

Die Berufung der Getauften

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Konstitution Lumen gentium (vgl. besonders Nr. 40) bekräftigt, dass alle Gläubigen, gleich welcher Lebensform, zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind. Diese „allgemeine Berufung zur Heiligkeit“ (LG Kapitel V) ist die Folge der Taufe. Der Mensch wird in das Leben Christi hineingenommen und soll dieses Leben in der Welt sichtbar machen.

Darum ist der Abend des 31. Oktober auch geistlich bedeutsam. Die Vigil lädt ein, die eigene Berufung neu zu betrachten. Die Lesung der Seligpreisungen aus dem Matthäusevangelium, die in der Messe von Allerheiligen verkündet wird, gibt die innere Form dieses Lebens: „Selig, die arm sind vor Gott …“ (Mt 5,3–9). Das Wort des Evangeliums beschreiben das konkrete Antlitz der Heiligkeit.

Der Christ, der an diesem Abend betet, steht in der Tradition der Kirche, die wacht, bevor sie feiert. Das Gebet der Vigil ist dadurch kein privater Akt. Es ist die Teilnahme an der bleibenden Bewegung der Kirche hin zu Gott. In der Stille der Nacht können wir erkennen, dass das Licht nicht aus uns selbst kommt. Wir empfangen es durch den Vater, durch seinen Sohn und den Heiligen Geist. Und indem wir das Licht empfangen, werden wir zum Zeugen des Lichtes.

Der Sinn des Vorabends

Der 31. Oktober ist im katholischen Verständnis kein weltlicher Vorabend. Heute ist kaum etwas von der Vigil geblieben. Statt Lichtern der Hoffnung leuchten Kürbisfratzen. Statt Gebet hört man das Klappern von Plastikzähnen und das Rufen „Süßes oder Saures“. Was als Volksbrauch erscheint, hat sich vom Glauben abgetrennt. Es ist ein Spiel mit der Dunkelheit geworden – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Kirche das Licht feiert.

Allerheiligen feiert das Ziel des christlichen Lebens. Es ist der Abend, an dem die Kirche das Licht des Himmels erwartet. Lassen wir uns diesen Abend bewusst begehen, mit Gebet und Stille, sodass die Verbindung zwischen der pilgernden Kirche und der himmlischen wächst. Denn Heiligkeit soll nicht bewundert werden, sondern nachgeahmt.

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