Abbild und Abgott – Die Frage nach der Künstlichen Intelligenz

Juli 14, 2025

Wir leben in einer Zeit, in der Maschinen uns zuhören, mit uns sprechen und immer mehr unserer Entscheidungen übernehmen. Was vor Kurzem noch als nützliches Werkzeug galt, beginnt, Subjekt zu werden und Autorität zu beanspruchen: Künstliche Intelligenz.

Hinter der Faszination verbirgt sich die alte Frage nach dem Bild Gottes: Wem vertrauen wir unser Denken an, wem überlassen wir unser Urteil? „Du sollst dir kein Kultbild machen und keine Gestalt von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde“ (Ex 20,4) – also kein Abbild Gottes, das wir beherrschen können. Und doch entstehen neue Bilder, geschaffen nicht aus Stein, sondern aus Code. Die wichtigste Frage, die sich hier stellt, ist keine technologische. Sie betrifft jeden Menschen: Wer darf in uns erkennen, was gut und böse ist?

Der Glanz des Erkennens

Der Mensch wurde dazu erschaffen, zu erkennen und zu urteilen. Diese Fähigkeit ist Gabe und Verantwortung zugleich. Woran messen wir die Wahrheit in einer Welt, in der Programme beginnen, Entscheidungen zu treffen? Jesus hat gesagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Die Wahrheit also ist Christus, eine Person, in der Urteil und Liebe eins sind. Sie ist keine Funktion, die man programmieren kann. Wo der Maßstab für Wahrheit von der Beziehung zum lebendigen Gott gelöst wird, entsteht ein Vakuum. In dieses Vakuum tritt die Technik – verführerisch präzise, aber ohne Gesicht und ohne Seele.

Das Verlangen nach einer allwissenden Instanz, die fehlerfrei urteilt, ist zutiefst menschlich. Doch woher kommt dieses Begehren? Die Versuchung, sich ein Gegenüber zu schaffen, das besser weiß, was wir wollen, hat eine sehr lange Geschichte. Im Buch Genesis wird deutlich, wie schnell das Streben nach Wissen zur Trennung von Gott führt: „ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ (Gen 3,5). Es ist nicht das Wissen selbst, das zerstört, sondern das Verlangen, ohne Gott erkennen zu wollen. Wenn künstliche Systeme beginnen, unser moralisches Urteil zu ersetzen, geht es nicht mehr nur um Technik. Es geht um die Ordnung der Schöpfung selbst.

Der Götze aus Silizium

Die biblische Warnung vor Götzenbildern richtet sich nicht gegen Bilder an sich, sondern gegen das Vertrauen in Werke unserer eigenen Hände. Die neue Götzenformel heißt: effizient, lernfähig und neutral. Was heute aber als “neutrale Technik“ erscheint, ist nicht ohne Einfluss. Denn auch Algorithmen tragen einen Geist in sich, und zwar den, den Menschen ihnen eingeben: unsere Vorurteile, unsere Absichten, unsere blinden Flecken.

Die Bibel beschreibt tote Götzen mit den Worten: „Sie haben einen Mund und reden nicht, sie haben Augen und sehen nicht, sie haben Ohren und hören nicht, sie haben eine Nase und riechen nicht; ihre Hände, sie greifen nicht, ihre Füße, sie gehen nicht, sie bringen keinen Laut hervor aus ihrer Kehle. Ihnen werden gleich, die sie machen, alle, die auf sie vertrauen“ (Ps 115,5-8). Was einst für Figuren aus Holz und Metall galt, trifft nun auf Systeme aus Silizium zu. Sie wirken lebendig, sind aber stumm für das Wahre. Denn sie können nicht lieben, nicht sehen und nicht antworten, selbst wenn sie uns das vortäuschen. Nein, sie spiegeln nur das, was wir ihnen vorgeben.

Was wie hohe Vernunft erscheint, ist oft nur beschleunigte Berechnung. Doch Vernunft im biblischen Sinn ist mehr als das. Sie erwächst aus Beziehung, aus dem Hören auf das Wort, das lebt. „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21). Prüfen setzt einen Menschen voraus, der wach bleibt und unterscheiden kann. Wer diese Verantwortung abgibt, gibt mehr ab als nur eine Aufgabe – er gibt die Freiheit des Erkennens aus der eigenen Hand.

Und wem wir Macht über unsere Entscheidungen und unser Denken geben, der wird auch unser Herz formen. Denn es ist ein gefährlicher Irrtum zu glauben, man könne Vernunft auslagern, ohne den Glauben zu gefährden. Immer wenn Maschinen an unsere Stelle treten, um zu beurteilen, was gut ist, verlieren wir nicht nur Urteilskraft, sondern auch ein Stück unserer Gottesebenbildlichkeit.

Erkennen im Angesicht

Was uns bleibt, ist die Rückkehr zur Frage, wer wir eigentlich sind. Künstliche Intelligenz ist ein bedeutsamer Fortschritt – Ausdruck menschlicher Fähigkeit, die Welt zu gestalten und komplexe Prozesse zu verstehen. Doch Intelligenz allein genügt nicht. Erkenntnis, die sich nicht in Beziehung verankert, verliert ihre Orientierung.

Wenn der Mensch beginnt, grundlegende Urteile an Systeme zu delegieren, wird der Raum innerer Unterscheidung eng. Dann steht nicht mehr der Geist im Zentrum, der prüft und verwandelt, sondern eine leblose Funktion, die nur abbildet, was wir ihr eingespeist haben. Der Mensch aber ist mehr als sein eigenes Spiegelbild – er ist Gottes Ebenbild.

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