Das göttliche Paradox – Freiheit in der Hingabe

Das moderne Ideal heißt: unabhängig sein, niemandem verpflichtet und frei von Bindungen. Doch Christus stellt das auf den Kopf. Er sagt: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ (Mt 16,25-26). Das Evangelium widerspricht damit der gängigen Vorstellung von Freiheit. Was wie Selbstbestimmung wirkt, kann in Wahrheit Unfreiheit sein, und was wie Aufgabe aussieht, erweist sich als Sieg. Freiheit entsteht nicht dort, wo der Mensch alles für sich beansprucht. Nein! Sie entsteht dort, wo man fähig wird, sich Gott ganz zu überlassen.

Gebundene Freiheit

Der Mensch, der meint, frei zu sein, weil er sich an keine Vorgaben bindet, täuscht sich gewaltig. Ohne es zu merken, wird eine solche Person zum Knecht der eigenen Triebe, Erwartungen und Sehnsüchte. „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!“ (Gal 5,13). Damit legt Paulus den Finger auf die entscheidende Wunde: Es gibt eine Freiheit, die in Wahrheit keine ist. Wer sie im Fleisch sucht, landet in Abhängigkeit. Lust, Trieb, Macht, Stolz – sie versprechen Selbstbestimmung, doch sie binden den Menschen an das, was ihn beherrscht. Paulus verschärft dies: „Ich sage aber: Wandelt im Geist, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches nicht erfüllen!“ (Gal 5,16). Freiheit im Geist ist nicht bloß die Möglichkeit zu wählen, sondern die Fähigkeit, das Gute wirklich zu wollen und zu leben. Das Evangelium entlarvt damit ein modernes Trugbild: Freiheit als grenzenlose Wahl endet in Unfreiheit. Wahre Freiheit ist die Kraft, das Richtige zu tun.

Augustinus spricht diese Spannung an: „Liebe und tu, was du willst“ (In epistulam Iohannis ad Parthos tractatus 7,8). Ohne die Liebe, ohne Hingabe wird der Wille nie frei. Er bleibt gefangen in eigener Selbstsucht. Hingabe ist deshalb Befreiung von einem viel schlimmeren Zwang: der Fixierung auf das eigene Ego. Hier liegt die Provokation des Evangeliums. Freiheit wächst nicht dadurch, dass der Mensch Gott meidet, sondern dass er Ihm vertraut. Wer Christus nicht kennt, mag wählen können, doch er kann sich nicht befreien. Er bleibt im Kreislauf des eigenen Ich. Erst im Gebunden-sein an Christus hört das Herz auf, sich um sich selbst zu drehen. Hingabe befreit den Menschen vom Druck, sich ständig selbst sichern, behaupten und durchsetzen zu müssen.

Das Wagnis der Hingabe

Echte Freiheit ist unbequem. Sie kostet. Sie zwingt dazu, die Illusion der Kontrolle loszulassen. „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Jesu Worte sind ein Schlag gegen das Sicherheitsdenken, das unser Leben allzu oft bestimmt. Wer seine Freiheit jedoch auf Absicherung baut, hat sie schon verloren. Christus zu vertrauen ist ein Wagnis, das stimmt. Doch dieses Risiko öffnet eine Weite, die der abgesicherte Mensch nie erfährt.

Papst Benedikt XVI. hat mit klarem Blick es auf den Punkt gebracht: „Bequem sind die Wege des Herrn nicht, aber wir sind ja auch nicht für die Bequemlichkeit, sondern für das Große, für das Gute geschaffen“ (Papst Benedikt XVI., Ansprache an die Pilger aus Deutschland, Montag, 25. April 2005). Größe meint hier nicht Selbstverwirklichung im weltlichen Sinn, sondern Größe des Herzens. Der Mensch, der glaubt, durch Abgrenzung frei zu sein, bleibt im Käfig seiner Möglichkeiten. Der Mensch, der Christus sein Leben überlässt, tritt hinaus in eine Freiheit, die über seine eigenen Pläne hinausgeht. Thomas von Aquin erklärt, dass wahre Freiheit immer in der Wahrheit verwurzelt ist (De veritate, q. 22 a. 6 co.). Meiden wir die Wahrheit, haben wir auch keine Freiheit, auch wenn wir alle Optionen offenhalten. Geben wir uns aber der Wahrheit hin, leben wir frei, auch wenn es äußerlich als gebunden scheint.

Freiheit im Gehorsam

Das Paradox des Evangeliums entlarvt das moderne Freiheitsverständnis. „Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Mt 11,30). Die Entscheidung, Christus zu gehören, ist keine Einschränkung. Es ist der Aufstand gegen die Tyrannei des eigenen Ich. Hingabe sprengt die Grenzen menschlicher Selbstbehauptung. Sie schenkt eine Freiheit, die nicht auf Konsum, Wahlmöglichkeiten oder Komfort gebaut ist, sondern auf Wahrheit, Liebe und Ewigkeit. Das ist das göttliche Paradox: Nur wer sich hingibt, ist wirklich frei.

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